Dienstag, 22. Dezember 2015

Vorratsdatenspeicherung

Befürworter erhöhen den Druck. Nachdem die EU-Kommission Deutschland Untätigkeit und Pflichtverletzung bei der Vorratsdatenspeicherung vorwarf, erhöhen nun auch die deutschen Befürworter der umstrittenen Sicherheitsmaßnahme den Druck. Politiker von CDU/CSU und SPD fordern insbesondere von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine kompromissbereitere Haltung.
Gestern wurde bekannt, dass die EU-Kommission Deutschland in einem "Blauen Brief" Pflichtverletzungen vorgeworfen und eine Stellungnahme bis August gefordert hat. Anlässlich dieser Kritik erhöhen auch Union und SPD den Druck auf die FDP, die die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor ablehnt. "Die Justizministerin ist gefordert, einen EU-konformen Entwurf vorzulegen, der eine anlasslose Speicherung von Daten vorsieht," mahnte die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt am heutigen Dienstag in Berlin. Hasselfeldt berief sich unter anderem auf die Aussagen der EU-Kommission. Diese zeigten, dass die EU die von Leutheusser-Schnarrenberger vorgeschlagenen Kompromisse für unzureichend halte. Daher sei die Bundesjustizministerin nun gefordert, nachzubessern. "Wir werden nicht lockerlassen, die Bundesjustizministerin zu ermahnen, dass sie hier ihrer Aufgabe als zuständige Ministerin auch gerecht wird," so Hasselfeldt. Sie warf der FDP vor, parteipolitische Ideologie über den Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen zu stellen.
Ähnlich wie Hasselfeldt äußerte sich auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Peter Altmeyer. Er forderte von der FDP ebenfalls ein größeres Entgegenkommen. "Es wäre ein einmaliger Vorgang, wenn Deutschland nicht imstande wäre, eine solche EU-Richtlinie, die mit unserer Stimme zustande gekommen ist, umzusetzen," so der Politiker. Die FDP ist seiner Ansicht nach Schuld an dieser Verzögerung. Er vertraue aber darauf, dass die Liberalen "eine freiheits- und rechtsstaatsliebende Partei" seien und an der Gestaltung eines Kompromisses, der sowohl die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als auch der EU-Kommission voll berücksichtige, mitwirken würden.
Auch die SPD wurde einmal mehr ihrer neuen Rolle als eindeutig für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung eingestellte Partei gerecht. Bereits am gestrigen Montag sprachen sich mehrere SPD-Politiker entschieden für eine Neuregelung aus. Die vielfach genannte Alternative einer verdachtsbezogenen Datenspeicherung ("Quick Freeze") lehnten sie als "völlig untauglich" ab.
Die Positionen von Union und SPD bei der Vorratsdatenspeicherung unterscheiden sich derzeit lediglich in Details von einander. So will die Union die bis zur Aussetzung durch das Bundesverfassungsgericht in Deutschland geltende Speicherfrist von sechs Monaten beibehalten, während die SPD eine drei- bis viermonatige Speicherung für ausreichend hält. Zudem legt die SPD auf Betreiben ihrer Netzpolitiker hin besonderen Wert auf ein strenges, mit zahlreichen Auflagen gestaltetes Gesetz, das Missbrauch verhindert und Rechtssicherheit schafft.
Währenddessen verweisen die Datenschützer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung auf eine aktuelle BITKOM-Studie, die die mehrheitliche Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland bestätigen soll. Nach Angaben der Aktivisten sprachen sich 62% der Befragten gegen eine Vorratsdatenspeicherung aus.
Die Datenschützer glauben sogar, dass der tatsächliche Anteil noch höher liegt, was sie mit der Art der Fragestellung bei der BITKOM-Umfrage begründen. Sie schreiben: "Auf Seite 47 der Studie ist nämlich nachzulesen, dass konkret gefragt wurde, 'in welchen Bereichen der Staat im Internet stärker oder weniger stark eingreifen solle.' Eine der zu bewertenden Maßnahme lautete dann: 'Speicherung von Internet-Verbindungsdaten für polizeiliche Zwecke'. Erst wenn man (fairerweise) von einer 'Speicherung dieser Daten der gesamten Bevölkerung' und 'ohne jeden Anfangsverdacht' hinzugefügt und schließlich noch betont hätte, dass es auch noch um die Speicherung von Telefon- und Handy-Verbindungsdaten mitsamt Handyortungsangaben gehen würde, dann wäre der Umfang der von CDU/CSU und SPD herbeigesehnten Vorratsdatenspeicherung treffend umschrieben worden." Ob dies tatsächlich den von den Aktivisten vermuteten Einfluss auf die Antworten gehabt hätte, ist allerdings schwer zu überprüfen.
Zudem, so die Datenschützer, verwenden laut BITKOM-Studie bereits 10% der Befragten Anonymisierungsdienste. Diese seien mittlerweile auch ohne technisches Fachwissen benutzbar und würden eine Vorratsdatenspeicherung in vielen Fällen nutzlos machen, erklären die Aktivisten. Dies könnte auch soziale Konsequenzen haben: "Haltbare und unhaltbare Verdachtsmomente werden sich mit Hilfe einer Vorratsdatenspeicherung in Zukunft in zunehmenden Maße nur noch an der immer kleiner werdenden Gruppe von Menschen anbringen lassen, der diese Techniken noch nicht vertraut sind oder der es an Geld für derartige Dienste mangelt. So wird nebenbei auch eine neue Randgruppe erzeugt."
Die seit Jahren in Deutschland herrschenden gegensätzlichen Positionen zur Vorratsdatenspeicherung haben sich, das zeigen die neuesten öffentlichen Stellungnahmen, bisher nicht angenähert. Ein Kompromiss scheint derzeit in weiter Ferne. Ob man doch noch einen solchen finden wird und inwiefern der Druck der EU die Dynamik der Diskussion verändern wird, ist bislang nur schwer abzuschätzen. Ebenso kann über die Meinung der Bevölkerung in dieser Frage - trotz der zitierten BITKOM-Studie - im wesentlichen nur spekuliert werden, da immer wieder andere Zahlen zu diesem Thema präsentiert werden. Gut ein Jahr nach der Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung ist man in Deutschland keinen Schritt weiter. Die Gegner der Überwachungsmaßnahme dürften dies jedoch als Etappensieg verbuchen: solange man sich nicht einigt, wird auch nicht gespeichert. Sie haben somit bei einer Einigung weitaus mehr zu verlieren als die Befürworter, denen man die Frustration über den Status Quo mittlerweile zum Teil deutlich anmerkt.
Vorratsdatenspeicherung

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