Befürworter erhöhen den Druck. Nachdem die EU-Kommission Deutschland
Untätigkeit und Pflichtverletzung bei der Vorratsdatenspeicherung vorwarf,
erhöhen nun auch die deutschen Befürworter der umstrittenen Sicherheitsmaßnahme
den Druck. Politiker von CDU/CSU und SPD fordern insbesondere von
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine
kompromissbereitere Haltung.
Gestern wurde bekannt, dass die EU-Kommission Deutschland in einem "Blauen
Brief" Pflichtverletzungen vorgeworfen und eine Stellungnahme bis August
gefordert hat. Anlässlich dieser Kritik erhöhen auch Union und SPD den Druck auf
die FDP, die die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor ablehnt. "Die
Justizministerin ist gefordert, einen EU-konformen Entwurf vorzulegen, der eine
anlasslose Speicherung von Daten vorsieht," mahnte die
CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt am heutigen Dienstag in Berlin.
Hasselfeldt berief sich unter anderem auf die Aussagen der EU-Kommission. Diese
zeigten, dass die EU die von Leutheusser-Schnarrenberger vorgeschlagenen
Kompromisse für unzureichend halte. Daher sei die Bundesjustizministerin nun
gefordert, nachzubessern. "Wir werden nicht lockerlassen, die
Bundesjustizministerin zu ermahnen, dass sie hier ihrer Aufgabe als zuständige
Ministerin auch gerecht wird," so Hasselfeldt. Sie warf der FDP vor,
parteipolitische Ideologie über den Schutz der Bevölkerung vor terroristischen
Anschlägen zu stellen.
Ähnlich wie Hasselfeldt äußerte sich auch der Parlamentarische
Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Peter Altmeyer. Er forderte von der FDP
ebenfalls ein größeres Entgegenkommen. "Es wäre ein einmaliger Vorgang, wenn
Deutschland nicht imstande wäre, eine solche EU-Richtlinie, die mit unserer
Stimme zustande gekommen ist, umzusetzen," so der Politiker. Die FDP ist seiner
Ansicht nach Schuld an dieser Verzögerung. Er vertraue aber darauf, dass die
Liberalen "eine freiheits- und rechtsstaatsliebende Partei" seien und an der
Gestaltung eines Kompromisses, der sowohl die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts als auch der EU-Kommission voll berücksichtige,
mitwirken würden.
Auch die SPD wurde einmal mehr ihrer neuen Rolle als eindeutig für eine
Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung eingestellte Partei gerecht.
Bereits am gestrigen Montag sprachen sich mehrere SPD-Politiker entschieden für
eine Neuregelung aus. Die vielfach genannte Alternative einer verdachtsbezogenen
Datenspeicherung ("Quick Freeze") lehnten sie als "völlig untauglich" ab.
Die Positionen von Union und SPD bei der Vorratsdatenspeicherung
unterscheiden sich derzeit lediglich in Details von einander. So will die Union
die bis zur Aussetzung durch das Bundesverfassungsgericht in Deutschland
geltende Speicherfrist von sechs Monaten beibehalten, während die SPD eine drei-
bis viermonatige Speicherung für ausreichend hält. Zudem legt die SPD auf
Betreiben ihrer Netzpolitiker hin besonderen Wert auf ein strenges, mit
zahlreichen Auflagen gestaltetes Gesetz, das Missbrauch verhindert und
Rechtssicherheit schafft.
Währenddessen verweisen die Datenschützer vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung auf eine aktuelle BITKOM-Studie, die die mehrheitliche
Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland bestätigen soll. Nach
Angaben der Aktivisten sprachen sich 62% der Befragten gegen eine
Vorratsdatenspeicherung aus.
Die Datenschützer glauben sogar, dass der tatsächliche Anteil noch höher
liegt, was sie mit der Art der Fragestellung bei der BITKOM-Umfrage begründen.
Sie schreiben: "Auf Seite 47 der Studie ist nämlich nachzulesen, dass konkret
gefragt wurde, 'in welchen Bereichen der Staat im Internet stärker oder weniger
stark eingreifen solle.' Eine der zu bewertenden Maßnahme lautete dann:
'Speicherung von Internet-Verbindungsdaten für polizeiliche Zwecke'. Erst wenn
man (fairerweise) von einer 'Speicherung dieser Daten der gesamten Bevölkerung'
und 'ohne jeden Anfangsverdacht' hinzugefügt und schließlich noch betont hätte,
dass es auch noch um die Speicherung von Telefon- und Handy-Verbindungsdaten
mitsamt Handyortungsangaben gehen würde, dann wäre der Umfang der von CDU/CSU
und SPD herbeigesehnten Vorratsdatenspeicherung treffend umschrieben worden." Ob
dies tatsächlich den von den Aktivisten vermuteten Einfluss auf die Antworten
gehabt hätte, ist allerdings schwer zu überprüfen.
Zudem, so die Datenschützer, verwenden laut BITKOM-Studie bereits 10% der
Befragten Anonymisierungsdienste. Diese seien mittlerweile auch ohne technisches
Fachwissen benutzbar und würden eine Vorratsdatenspeicherung in vielen Fällen
nutzlos machen, erklären die Aktivisten. Dies könnte auch soziale Konsequenzen
haben: "Haltbare und unhaltbare Verdachtsmomente werden sich mit Hilfe einer
Vorratsdatenspeicherung in Zukunft in zunehmenden Maße nur noch an der immer
kleiner werdenden Gruppe von Menschen anbringen lassen, der diese Techniken noch
nicht vertraut sind oder der es an Geld für derartige Dienste mangelt. So wird
nebenbei auch eine neue Randgruppe erzeugt."
Die seit Jahren in Deutschland herrschenden gegensätzlichen Positionen zur
Vorratsdatenspeicherung haben sich, das zeigen die neuesten öffentlichen
Stellungnahmen, bisher nicht angenähert. Ein Kompromiss scheint derzeit in
weiter Ferne. Ob man doch noch einen solchen finden wird und inwiefern der Druck
der EU die Dynamik der Diskussion verändern wird, ist bislang nur schwer
abzuschätzen. Ebenso kann über die Meinung der Bevölkerung in dieser Frage -
trotz der zitierten BITKOM-Studie - im wesentlichen nur spekuliert werden, da
immer wieder andere Zahlen zu diesem Thema präsentiert werden. Gut ein Jahr nach
der Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung ist man in Deutschland keinen Schritt
weiter. Die Gegner der Überwachungsmaßnahme dürften dies jedoch als Etappensieg
verbuchen: solange man sich nicht einigt, wird auch nicht gespeichert. Sie haben
somit bei einer Einigung weitaus mehr zu verlieren als die Befürworter, denen
man die Frustration über den Status Quo mittlerweile zum Teil deutlich
anmerkt.
Jedes Gesicht hat eine Geschichte, und jede Geschichte braucht jemanden der sie erzählt.
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